Mai 1956. Das Sommersemester war drei oder vier Wochen alt und ich stand
um die Mittagszeit am Beethovenplatz vor einem Bäckerladen, um etwas zum Essen zu kaufen. Da klopft mir einer auf die
Schulter: "Was machst Du denn hier in Bonn?" Es war Wolfgang Hentschel, den ich vom Altenkirchner
Westerwald-Gymnasium her kannte. Er lud mich auf das Teutonenhaus zum Mittagstisch ein. Nicht ahnend, welch eine wichtige Rolle
einige Bundesbrüder und Bundesschwestern in meinem Leben spielen würden, ging ich mit in die Riesstraße. Dort
waren kurz vor 13 Uhr etwa 20 hungrige Studenten, mit bunten Bändern geschmückt, versammelt und warteten auf die
Mahlzeit. Einige hatten ein nur zweifarbiges Band an und in deren Nähe wurde ich platziert: Klaus Schwarplys, Rudi
Ortlepp, Otfried Bisplinghoff, Bernd Wiechens, Klaus Frohn. Im Laufe des Semesters wuchs der Fuxenstall auf 12! Von der ersten
Stunde an fühlte ich mich bei den Füxen wohl, heute würde man sagen, die Chemie stimmte. Ganz wesentlich trug
dazu Klaus bei, der für uns alle eine integrierende Rolle spielte. Klaus hatte schon ein Semester in Münster (zum
Tennisspielen) und ein Semester in Innsbruck (zum Skifahren) verbracht, war also für uns ganz Neue schon ein erfahrener
Student. Ich bin nicht sicher, ob in den ersten Bonner Semestern das Jurastudium bei ihm eine große Rolle spielte, ganz
sicher tat dies aber der Sport: Oft auf dem Tennisplatz - und für Teutonia in der Handballmannschaft, die bei den
Universitätsmeisterschaften um die vorderen Plätze mit spielte, und selbstverständlich auf dem Paukboden. 1957
war Teutonia Präsidierende im CC. Klaus wurde unser Erstchargierter, und in Coburg vertrat er uns mit der erwarteten
einwandfreien Haltung, assistiert vom Zweitchargierten Rudi Ortlepp und vom Drittchargierten Klaus Frohn. Nach seiner
Aktivenzeit begann das ernsthafte Studium, nicht zuletzt mit Vorlesungen des seinerzeit stadtbekannten Repititors Schneider.
Während wir Naturwissenschaftler (unter den zwölf 1956er Füxen gab es drei Physiker) erst das
Fortgeschrittenen-Praktikum absolvierten, bestand Klaus das Referendarexamen mit einer Prädikatsnote und nach der
kürzest möglichen Zeit auch das Assessorexamen. Seine Frau Barbara war in Lüneburg aufgewachsen, und dorthin zog
es die junge Familie. Klaus wurde Staatsanwalt, und offensichtlich einer von den besseren. Die Beförderung zum
Oberstaatsanwalt kam zeitgerecht, sein großer Karrieresprung war jedoch die Leitung der Staatsanwaltschaft Lüneburg.
Es war nämlich nicht üblich - und ist es vielleicht auch heute noch nicht-, dass diese Position aus dem eigenen Hause
und auch noch ohne ein Parteibuch besetzt wurde. Es war ganz sicher Klausens Kombination aus fachlicher Kompetenz und
verbindlicher Verhaltensweise, die zu dieser Beförderung geführt hatte. Klaus und Barbara bekamen eine Tochter und
einen Sohn, beide sind übrigens auch Juristen geworden. Zu Klausens Tennis-Hobby gesellte sich in den letzten Jahrzehnten
die Jagd, für die er als Kreisjägermeister Verantwortung übernahm. Klausens Vater war im Frühjahr 1945 bei
der vergeblichen Verteidigung der Rheinlinie gefallen, und wenn wir beide den Soldatenfriedhof im Siebengebirge besuchten,
waren dies einige der wenigen traurigen gemeinsamen Tage. In letzter Zeit klagte Klaus über Kurzatmigkeit, fühlte
sich jedoch nicht wirklich krank. Aber es war wohl ernster als er dachte, und am 19. August erlitt er einen tödlichen
Herzinfarkt. Sein Leibfux Wilhelm Tappert, Rudi Ortlepp und ich gaben ihm das letzte Teutonen-Geleit. Für Klausens Mutter
waren die folgenden Zeilen eines mir unbekannten Dichters immer ein Trost in Gedenken an ihren gefallenen Mann, und ich bin
sicher, dass Klaus nichts dagegen hätte, dass wir diese Gedanken hier zitieren:
Sie sind ja nicht tot, deren Hügel sich hebt.
Was wir an ihnen geliebt, das lebt;
das bleibt, bis uns selber das Leben zerrinnt.
Sie sind ja nicht tot, die gestorben sind.
Dr. Eckhard Hundhausen
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