Gerhard Rode, *01.01.1938 - +19.08.2012
Am 19. August 2012 starb Gerhard Rode überraschend in einer Klinik in Usedom. Geboren wurde er am 1. Januar 1938 in
Wola-Korybutowa in Polen. Der deutsche Einmarsch in Polen belastete das zuvor friedliche Zusammenleben von Deutschen und Polen und führte vielfach zu
folgenschweren Auseinandersetzungen. Im November 1939 wurde Gerhards Vater von polnischen Partisanen ermordet. Umsiedlung, Vertreibung und Flucht bedeuteten
viele Lebensstationen für Mutter und Kind zunächst im Warthegau und später in Sachsen-Anhalt. 1953 endete die familiäre Odyssee in Bremen.
Dort legte er 1957 die Reifeprüfung ab, begab sich nach Bonn, um Volkswirtschaftslehre zu studieren und wurde im Mai 1957 bei TEUTONIA aktiv. Gerhard
unterschied sich durch sein Auftreten und seine Ansprüche von den meisten seiner gleichaltrigen Bundesbrüder. Er verkörperte hanseatischen,
bremischen Lebensstil. Auf sein Äußeres legte er großen Wert. Seine Kleidung war immer dezent und gediegen. Schuhe bedeuteten ihm viel, er
konnte nicht genug davon haben. Als Wohnung reichte nicht eine "Bude". Er mietete im vornehmen Musikerviertel ein ganzes Gartenhaus. Die Vorliebe zu
selbst zubereitetem guten Essen ergänzt das Bild des Bonvivants. Das Studium regelte er mehr nach seinen vielfältigen Neigungen als nach der
Unterordnung unter fakultätsbezogene Zwänge. Er genoss ein studium generale und das Zusammensein im Kreis seiner Bundesbrüder. Ergänzt
wurden die üblicherweise bei Verbindungen anzutreffenden Gruppen "Bier" und "Geist" bei Teutonia um die Gruppe "Kintopp".
Der harte Kern begeisterter Kinogänger wurde repräsentiert durch die Bbr. Bbr. Lutz Reinhold, Hans-Peter Ziehen, Erich Seybold, Eberhard Schewe,
Willy Lehmann, Richard Braach und Gerhard Rode. Natürlich fanden in den Randbereichen der einzelnen Gruppen auch Mischungen statt. Beim täglichen
Mittagstisch mit mindestens einem Dutzend Teilnehmern war die Filmkritik häufig vorherrschendes Thema ebenso wie die Zahl der an einem Tag besuchten
Vorstellungen. Gerhard liebte das Schauspiel; er war in der Lage, Mimik, Gestik und Dialoge spontan zu übernehmen und wiederzugeben. Er hatte ein feines
Gehör für Sprache und Dialekt und war immer bestrebt, Neues aufzunehmen und Bekanntes zu vervollkommnen. Sein großes Theater spielte er als
Busschaffner: In Uniform mit Dienstmütze verkaufte er im Schaffnerstand über der Hinterachse Fahrscheine und rief in gekonntem rheinischen Sing-Sang
die Haltestationen aus. Mit einem "Pundespahnhoof" in schärfstem Sächsisch schreckte er regelmäßig alle Fahrgäste vor dem
Halt am Bonner Bahnhof aus ihren Gedanken und Träumen. Gerhard hatte seinen Spaß und alle Mitfahrer auch. Als sich ihm die Gelegenheit bot, bei der
BAYER AG Leverkusen ein 2-jähriges Ausbildungsprogramm für Führungskräfte im Auslandseinsatz zu durchlaufen, brach er alle
persönlichen Kontakte in Bonn ab und widmete sich ausschließlich und mit großem Einsatz dieser neuen Aufgabe. Sein erster Dienstort war
Montevideo in Uruguay. Ihm oblag die Einrichtung und Etablierung einer Bayer-Geschäftsstelle für die Spartenprodukte Pflanzenschutz. In Montevideo
lernte er auch seine deutschstämmige Frau Karin kennen. Sohn Thorsten komplettierte nach einiger Zeit die junge Familie. Gerhard war ein erfolgreicher
Verkäufer, der nach einigen Jahren mit der Aufgabe betraut wurde, eine Geschäftsstelle in Santiago, Chile, aufzubauen. In Santiago wurde der zweite
Sohn Claudio geboren. Wiederum nach einigen Jahren arbeitsreicher aber auch sehr erfolgreicher Tätigkeit erreichte ihn der Auftrag, in Lima den
Geschäftsbereich Pflanzenschutz zu übernehmen. Auf einer Urlaubsreise 1974 waren meine Frau und ich einige Tage Gäste im Hause Rode. Karin und
Gerhard führten ein großes Haus mit dienstbaren Geistern, die es in Deutschland schon lange Zeit nicht mehr gab. Eine Person war zuständig
für Hausreinigung und Wäsche, eine weitere ausschließlich für die Küche und um den Garten kümmerte sich ein Gärtner. Dieser
Lebensstil ließ uns einfach nur staunen; im alten Europa hatten Revolutionen und Kriege für eine weitgehende Vereinheitlichung der
Lebensführungsnormen bei der bürgerlichen Gesellschaftsschicht gesorgt. Die Konzern-Richtlinien für Führungskräfte im Auslandseinsatz
bestimmten, dass nach 10-jähriger ununterbrochener Tätigkeit im Ausland, eine 2-jährige Tätigkeit am Firmensitz in Leverkusen zu
absolvieren war. Der Familienumzug mit dem gesamten Hausstand nach Europa gestaltete sich viel schwieriger als erwartet: Die Möbelcontainer trafen
verspätet ein und waren teilweise geplündert, ein Kindergartenplatz für Claudio stand nicht zur Verfügung, das Angebot an
Einfamilienhäusern entsprach nur mit Einschränkungen den Vorstellungen, das Familienleben musste im Hotel stattfinden. Die Startschwierigkeiten
konnten durch Bezug eines eigenen Hauses nur teilweise ausgeräumt werden. Gerhard, der Freiheit und Macht eines fern der Konzernmutter agierenden
Spartenfürsten in Ländern mit zum Teil problematischen Infrastrukturen gewöhnt war und erfolgreich zu nutzen verstanden hatte, war nun im
reglementierten täglichen Arbeitsleben in hierarchische Strukturen eingeordnet und hatte mit Menschen zu tun, die anders lebten, dachten und handelten als
er. Er fühlte sich so unglücklich, dass er die BAYER AG verließ und die gebotene Möglichkeit nutzte, in die Geschäftsführung
eines mittelständischen Betriebes in Uruguay zu wechseln. Als ich ihn 1982 in Montevideo besuchte reichte seine Zeit nur für einen langen Spaziergang
am La Plata. Eine Ölkrise und die galoppierende Inflation in Argentinien erforderten fast täglich neue unternehmerische Entscheidungen. Er ordnete
den betrieblichen Belangen alles unter. Besonders litt seine schwer erkrankte Frau darunter. Als dann noch wegen der angespannten wirtschaftlichen
Unternehmenslage die ehemals freundschaftlichen Beziehungen zu dem Firmeninhaber Schaden genommen hatten beschloss die Familie, Südamerika zu verlassen
und einen Neuanfang als Partner und Teilhaber einer Immobilienfirma in Spanien (Mallorca) vorzunehmen. Der in den Anfangsjahren prosperierenden Firma schadeten
dann zunehmend Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit der Geschäftsführer, die teilweise nur mit anwaltlicher Einwirkung ausgeräumt werden
konnten. Auf Mallorca erlag seine Frau Karin ihrer schweren Krankheit. Dieser Verlust, die unerfreuliche Geschäftssituation und das fortgeschrittene Alter
veranlassten ihn, nach 17 Jahren in Spanien seine Zelte abzubrechen und nach Norddeutschland zu ziehen. Gerhard ist immer ein aufrechter Teutone geblieben.
Entfernungsbedingt konnten die Besuchskontakte in Südamerika zu seinen Bundesbrüdern nur gering sein. Das änderte sich mit dem Umzug nach
Mallorca. Gerhard besuchte seine Bundesbrüder mehrmals jährlich in Bonn und war auch Gastgeber von mehreren jungen Teutonen, die der mehrtägigen
Einladung in sein Domizil nach Mallorca gefolgt waren. Seit er in Malente wohnte, war er häufig zu den offiziellen Anlässen in Bonn und das
große Fest in Coburg feierte er auch mehrmals mit. Über sich selbst verriet er: "Rentner, aber alles andere als müde und
zurückgezogen. Im Gegenteil, dynamischer "single"-Witwer und bekennender Großvater". Er schwärmte von seinen Enkelkindern und
freute sich sehr auf jedes Zusammensein mit ihnen. Schade, dass ihm das nicht länger vergönnt war. Gerhards Asche wurde in der Ostsee verstreut.
Adios amigo!
Bernd Wiechens
|